Zur Gleichbehandlung bei der Befreiung von Rundfunkgebühren

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in den vorliegenden Verfahren mit 
der Frage befasst, ob und wie eine Gleichbehandlung der Empfänger von 
Sozialleistungen bzw. von niedrigen Einkünften bei der Befreiung von 
Rundfunkgebühren von Verfassungs wegen zu gewährleisten ist. Die 
Beschwerdeführerin in den Verfahren 1 BvR 3269/08 und 1 BvR 656/10 
erhielt für sich und ihre minderjährige Tochter Leistungen zur Sicherung 
des Lebensunterhalts nach dem SGB II sowie einen befristeten Zuschlag 
gemäß § 24 SGB II, der teilweise geringer war als die zu zahlenden 
Rundfunkgebühren. § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags 
(RGebStV) sieht eine Befreiung von den Rundfunkgebühren generell nur für 
diejenigen Empfänger von Sozialleistungen nach dem SGB II vor, die 
keinen solchen Zuschlag erhalten. Die Rundfunkanstalt lehnte daher die 
wiederholt für verschiedene Zeiträume gestellten Anträge der 
Beschwerdeführerin auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ab.


Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 665/10 bezog Einkünfte aus 
Altersrente und Wohngeld, die nach Abzug der Wohnkosten nur geringfügig 
über den Regelsätzen nach dem SGB II oder SGB XII lagen, so dass der 
nach Abzug der Regelsätze verbleibende Betrag die Rundfunkgebühr nicht 
vollständig abdeckte. Seinen Antrag auf Befreiung von den 
Rundfunkgebühren lehnte die Rundfunkanstalt ebenfalls ab, da er keine 
Sozialleistungen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV erhielt. 

Die von den Beschwerdeführern jeweils erhobenen Klagen hatten vor den 
Fachgerichten keinen Erfolg, weil keiner der Befreiungstatbestände und 
auch kein besonderer Härtefall nach § 6 Abs. 3 RGebStV vorliege. Nach 
Zustellung der gegen die behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen 
eingelegten Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer hat die 
Rundfunkanstalt beide Beschwerdeführer rückwirkend von den 
Rundfunkgebühren befreit, woraufhin diese die 
Verfassungsbeschwerdeverfahren jeweils für erledigt erklärt haben. 

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat auf 
Antrag der Beschwerdeführer jeweils entschieden, dass das Land ihnen die 
in den Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen 
zu erstatten hat. Die Auslagenerstattung entspricht der Billigkeit, weil 
die Verfassungsbeschwerden vor ihrer Erledigung Aussicht auf Erfolg 
hatten. 

Die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen den allgemeinen 
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführerin in den 
Verfahren 1 BvR 3269/08 und 1 BvR 656/10 wird als Empfängerin eines 
Zuschlages zum Arbeitslosengeld II gegenüber solchen Empfängern von 
Arbeitslosengeld II, die keinen derartigen Zuschlag erhalten, schlechter 
gestellt, weil diese im Gegensatz zu ihr nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV 
auf Antrag von den Rundfunkgebühren befreit sind. Diese 
Ungleichbehandlung war jedenfalls in dem Zeitraum nicht gerechtfertigt, 
in dem der Zuschlag geringer war als die zu zahlenden Rundfunkgebühren, 
weil die Beschwerdeführerin zur Zahlung der Differenz auf den Regelsatz 
des Arbeitslosengeldes II zurückgreifen musste. Gleiches gilt im Fall 
des Beschwerdeführers im Verfahren 1 BvR 665/10, der als Rentner ein 
Einkommen bezieht, das nur geringfügig über den sozialrechtlichen 
Regelsätzen liegt, und daher gegenüber den Sozialleistungsempfängern 
benachteiligt ist, weil er auf den dem Regelsatz entsprechenden Teil 
seines Einkommens zurückgreifen muss, um einen Teil der Rundfunkgebühren 
zu entrichten. 

In beiden Fällen ist die Ungleichbehandlung nicht aus dem Gesichtspunkt 
der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt. Die mit der 
Generalisierung und Pauschalierung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV 
verbundene Härte für die Empfänger von Arbeitslosengeld II mit Zuschlag 
lässt sich ohne erhebliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten 
beseitigen. Denn die Rundfunkanstalt könnte anhand des Bescheides über 
die Bewilligung der Sozialleistungen ohne eigene Einkommensermittlung 
und ohne großen Berechnungsaufwand eine Befreiung von der 
Rundfunkgebührenpflicht in der Höhe erteilen, in der die 
Rundfunkgebühren den Zuschlag übersteigen. Darüber hinaus liegt für die 
Beschwerdeführerin in den Verfahren 1 BvR 3269/08 und 1 BvR 656/10 ein 
intensiver Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Zwar war der von ihr 
zu leistende Differenzbetrag nicht sehr hoch, er stellte aber eine 
intensive Belastung der Beschwerdeführerin dar, da ihr für ihre 
Lebensführung lediglich die vom Gesetzgeber zur Deckung des 
Existenzminimums konzipierten Regelleistungen nach dem SGB II zur 
Verfügung standen und deshalb das Fehlen nur geringer Beträge eine 
spürbare Belastung darstellt. 

Auch im Fall des Beschwerdeführers im Verfahren 1 BvR 665/10 ist die 
Ungleichbehandlung nicht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zu 
rechtfertigen, weil der Verstoß gegen den Gleichheitssatz intensiv ist. 
Der Beschwerdeführer hat für seine Lebensführung lediglich ein Einkommen 
aus Rente und Wohngeld zur Verfügung, das der Höhe nach mit den 
sozialrechtlichen Regelleistungen vergleichbar ist, die der 
Sicherstellung des Existenzminimums dienen. Im Verhältnis zum Einkommen 
stellt daher die Rundfunkgebühr, auch wenn der Betrag absolut nicht sehr 
hoch ist, eine intensive und wiederkehrende Belastung des 
Beschwerdeführers dar. 

Die Anwendung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages durch die Fachgerichte 
ist daher in beiden Fällen mit dem Gleichheitssatz nicht mehr vereinbar, 
ohne dass der Rundfunkgebührenstaatsvertrag selbst verfassungswidrig 
wäre. Denn die Vorschrift des § 6 Abs. 3 RGebStV, der in besonderen 
Härtefällen eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vorsieht, 
schafft die Möglichkeit, auch diejenigen Empfänger von Arbeitslosengeld 
II mit Zuschlag in dem Umfang, in dem die Rundfunkgebühren den Zuschlag 
übersteigen, von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, obwohl die 
Voraussetzungen von § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV nicht vorliegen. Ebenso 
erlaubt die Härtefallregelung diejenigen Personen teilweise von den 
Rundfunkgebühren zu befreien, die zwar keine Sozialleistungen i. S. d. 
Befreiungstatbestandes beziehen, deren Einkommen die Regelsätze aber nur 
geringfügig übersteigt, so dass der übersteigende Betrag die 
Rundfunkgebühren nicht abdeckt. 

Beschluss vom 30. November 2011
1 BvR 3269/08
1 BvR 656/10
Beschluss vom 9. November 2011
1 BvR 665/10

Veröffentlicht am 22. Dezember 2011 in Empfehlungen, Gesetze, Medien, Meinungen, Politik und mit , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für Zur Gleichbehandlung bei der Befreiung von Rundfunkgebühren.

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