SWP| Iranisches Atomprogramm: Beschränkung ist gut, Kontrolle ist besser
Die Warnungen vor einem Scheitern der Atomverhandlungen mit dem Iran häufen sich. Dabei ist ihr Gelingen für die krisengeschüttelte Region von großer Bedeutung. Oliver Meiererläutert, wie die deutsche Politik eine positive Wendung befördern kann.
Oliver Meier
Die Atomverhandlungen mit dem Iran stehen auf Messers Schneide. Bis zum 20. Juli wollen die E3+3 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China, Russland, USA) mit dem Iran eine Einigung über ein dauerhaftes und umfassendes Abkommen erzielen. Im Kern geht es darum, wie das iranische Atomprogramm eingeschränkt und besser kontrolliert werden kann, um der internationalen Gemeinschaft die Gewissheit zu geben, dass der Iran keine Atomwaffen anstrebt. Zwei Entwicklungen geben Anlass zur Sorge, dass die Gespräche scheitern.
Erstens dringen zunehmend Verhandlungsinhalte an die Öffentlichkeit. Die aktuellen Gespräche zwischen Regierungsexperten sowie politischen Vertretern der E3+3 und dem Iran laufen nun seit sechs Monaten. Bis vor kurzem hatten alle Beteiligten weitgehend der Versuchung widerstanden, ihre Position durch eine gezielte Informationsweitergabe an die Presse zu verbessern. Diese Wahrung der Vertraulichkeit war ein deutlicher Beleg für die Ernsthaftigkeit, mit der die Beteiligten seit der Einigung auf den Genfer Aktionsplan im November nach einem Kompromiss im Atomstreit gesucht hatten. In den letzten Wochen aber gaben Verhandlungsteilnehmer immer wieder brisante Details an die Presse. So kolportierten beide Seiten ihre Auffassung darüber, wie lange der Iran strengeren Kontrollen unterworfen werden solle (USA: mindestens 20 Jahre, Iran: maximal 5 bis 7 Jahre). Auch die jeweiligen Vorstellungen vom Umbau des zur Plutoniumproduktion tauglichen Schwerwasserreaktors in Arak drangen an die Öffentlichkeit.
Zweitens mischen sich aus den Hauptstädten der Verhandlungsteilnehmer zunehmend jene direkt in die Gespräche ein, die einer Einigung skeptisch gegenüberstehen. Am deutlichsten ist dies in der Frage einer Begrenzung der iranischen Kapazitäten zur Urananreicherung zu beobachten. Aus Washington und Paris wird gefordert, der Iran müsse die Anzahl seiner 19.000 Zentrifugen (von denen rund 10.000 in Betrieb sind) auf wenige Hundert reduzieren. Der iranische Revolutionsführer Ayatholla Khamenei verkündete auf seiner Webseite hingegen, dass der Iran seine Anreicherungskapazitäten nicht reduzieren werde. Im Gegenteil strebe er einen erheblichen Ausbau an.
Eine derartige öffentliche Verkündigung roter Linien erschwert die Suche nach Kompromissen bei den Gesprächen in Wien. Denn nur hinter verschlossene Türen ist jene Flexibilität möglich, die die Einigung auf gesichtswahrende Lösungen ermöglicht. Vor allem aber beeinflusst die Einmischung die Agenda der Verhandlungen auf unangemessene Weise. Die Frage nach dem Umfang der iranischen Anreicherungskapazitäten hat dort nun eine zu große Bedeutung erlangt. Eine Beschränkung iranischer Anreicherungskapazitäten ist zwar sicherlich wichtig. Sie bestimmt darüber, wie schnell der Iran waffenfähiges Uran in den bekannten Anlagen herstellen kann, wenn er aus allen internationalen Abkommen ausbricht. Diese Ausbruchskapazität möglichst gering zu halten, ist eine Säule der Vertrauensbildung. Sollte der Iran aber tatsächlich atomwaffenfähiges Uran herstellen wollen, würde er dies kaum in den bekannten, sondern wohl eher in geheimen Anlagen tun. Auch die Urananreicherungsanlagen in Natanz und Fordow hatte der Iran im Geheimen gebaut und sie der Internationalen Atomenergie-Organisation erst dann gemeldet, als die internationale Gemeinschaft ihm bereits auf die Schliche gekommen war.
Wichtiger als eine Begrenzung vorhandener Kapazitäten wäre daher die Einigung auf möglichst strenge und umfassende Atominspektionen. Diese würde anderen Staaten zusätzliche Sicherheit geben, dass der Iran sich an das Abkommen hält. Ein solches Zugeständnis Teherans würde die Möglichkeit eines militärischen Missbrauchs des Atomprogramms weitaus deutlicher reduzieren als der temporäre Abbau von Zentrifugen.
Aus deutscher Sicht wäre es daher erstens wichtig, darauf zu drängen, dass die Verhandlungspartner öffentlich keine Maximalforderungen erheben. Internationale Verhandlungen finden zwar immer auf der innen- und der außenpolitischen Ebene statt, aber sie sollten nicht von innenpolitischen Handlungszwängen dominiert werden. Berlins gute Beziehungen zu Paris, Teheran und Washington können hier hilfreich sein.
Zweitens sollte Deutschland hervorheben, dass eine Einigung auf gründliche Kontrollen wichtiger ist als die politisch griffige Forderung nach einer Beschränkung iranischer Anreicherungskapazitäten. Gelingt es, die Prioritäten entsprechend anzupassen, könnten die Verhandlungen bis zum 20. Juli abgeschlossen werden.
Angesichts der vielen schlechten Nachrichten aus der Region ist der Wert eines solchen Erfolgs kaum zu überschätzen. Iran spielt eine zentrale Rolle in den meisten Konflikten im Nahen Osten, vom syrischen Bürgerkrieg über den Kampf gegen islamistische Extremisten im Irak bis hin zum Libanon. Eine Beilegung des Atomkonflikts ist keine Garantie für eine konstruktivere Rolle Teherans in diesen Krisenherden. Sicher ist aber: scheitern die Wiener Gespräche, wird eine Einbindung Irans ungleich schwieriger.
Literaturempfehlung
Veröffentlicht am 14. Juli 2014 in 2014, Atomprogramm, Empfehlungen, Gesetze, Human Rights, Iran after Election 2013, Meinungen, Politik und mit Atombombe, Berlin, Deutschland, Germany, Gesetze, Human Rights, IAEA, Iran, Medien, Menschenrechte, Politik, USA getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für SWP| Iranisches Atomprogramm: Beschränkung ist gut, Kontrolle ist besser.