Auszüge aus den Strafgesetzen der Islamischen Republik Iran

Auszüge aus den Strafgesetzen der Islamischen Republik Iran

Strafen und Maßnahmen der Sicherung und Erziehung

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370/30. Juli 1991

Erstes Buch

Zweites Kapitel:

Strafen und Maßnahmen der Sicherung und Erziehung


Erster Abschnitt:

Strafen und Maßnahmen der Sicherung und Erziehung


Art. 12
–   Die Strafen dieses Gesetzes sind in folgende fünf Kategorien eingeteilt:

1. Hadd-Strafen; [Anmerkung der Übersetzerin: Plural: hudud]
2. Vergeltung;
3. Blutgeld;
4. Ta’zir-Strafen;
5. abhaltende Strafen.
Art. 13 –   Hadd-Strafen werden diejenigen Strafen genannt, deren Art und Maß in der arī’a* [Anmerkung der Übersetzerin: festgelegt sind.]

Art. 14 –   Vergeltung ist eine Strafe, zu der der Täter verurteilt wird, und die seiner Tat entsprechen muß.

Art. 15 – Blutgeld ist eine Vermögensstrafe, die vom Gesetzgeber für eine Straftat festgelegt ist.

Art. 16 – Die ta’zir-Strafe ist eine Züchtigung bzw. eine Strafe, deren Art und Maß nicht in der tarī’a bestimmt, sondern dem Ermessen des Richters anheimgestellt ist, wie z.B. Gefängnisstrafe, Geldstrafe oder Auspeitschung, die jedoch der Höhe nach unter der hadd-Strafe liegen muß.

Art. 17 – Die abhaltende Strafe ist eine Züchtigung bzw. Strafe, die von der Obrigkeit zur Wahrung der Ordnung unter Berücksichtigung des Interesses der Gesellschaft für Verstöße gegen staatliche Bestimmungen und Vorschriften festgelegt wird, wie z.B. Gefängnisstrafe, Geldstrafe, Betriebsschließung, Entzug von Erlaubnissen und Aberkennung von bürgerlichen Ehrenrechten, Verbot oder Verpflichtung, sich an einem bzw. mehreren Orten aufzuhalten, und dergleichen.

*tarī’a: Das göttliche islamische Recht (im Gegensatz zur Rechtswissenschaft: fiqh).

Die hadd-Strafen für unerlaubten Geschlechtsverkehr

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Zweites Buch:

Die hadd-Strafen

Erstes Kapitel:

Die hadd-Strafen für unerlaubten Geschlechtsverkehr [u.a. Steinigung]

Erster Abschnitt:

Definition und Strafgrund bei hadd-Strafen für unerlaubten Geschlechtsverkehr
Art. 63 – Unerlaubter Geschlechtsverkehr ist die geschlechtliche Vereinigung eines Mannes mit einer Frau, mit der ihm diese verboten ist, auch durch Analverkehr oder auf ähnliche Weise, sofern nicht ein Irrtumsfall vorliegt.

Art. 64 – Der unerlaubte Geschlechtsverkehr zieht eine hadd-Strafe nach sich, wenn beim Täter bzw. der Täterin folgende Eigenschaften vorlagen: Mündigkeit, geistige Gesundheit, Freiwilligkeit, Kenntnis der Vorschrift und der Tatsachen.

Art. 65 – Wissen eine Frau oder ein Mann, daß der Geschlechtsverkehr mit dem jeweils anderen verboten ist, weiß dieser das aber nicht, sondern vermutet es nur, so ist die Tat für ihn erlaubt; wer jedoch in Kenntnis des Verbots handelt, wird zu der hadd-Strafe für unerlaubten Geschlechtsverkehr verurteilt.

Art. 66 – Behaupten ein Mann und eine Frau, die miteinander Geschlechtsverkehr haben, sich geirrt oder in Unkenntnis des Verbots gehandelt zu haben, so wird die Behauptung ohne Zeugen und Eid für wahr angesehen, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daß sie aufrichtig sind, und die hadd-Strafe entfällt.

Art. 67 – Behauptet ein Mann oder eine Frau, daß er bzw. sie zum unerlaubten Geschlechtsverkehr gezwungen worden sei, so wird diese Behauptung für wahr angesehen, wenn das Gegenteil nicht zweifelsfrei feststeht.

Zweiter Abschnitt:

Gerichtliche Beweismittel für den unerlaubten Geschlechtsverkehr

Art. 68 – Gesteht ein Mann oder eine Frau viermal vor dem Richter den unerlaubten Geschlechtsverkehr, so wird er bzw. sie zu einer hadd-Strafe verurteilt. Wenn er bzw. sie weniger als viermal gesteht, so ist eine ta’zir-Strafe verwirkt.

Art. 71 – Gesteht eine Person einen unerlaubten Geschlechtsverkehr und leugnet ihn später, so entfällt die hadd-Strafe, wenn sie einen unerlaubten Geschlechtsverkehr gestanden hat, auf den Tötung oder Steinigung stehen. In den anderen Fällen läßt ein Leugnen nach einem Geständnis die hadd-Strafe nicht entfallen.

Art. 73 – Wird eine Frau schwanger, die keinen Ehemann hat, so begründet die Tatsache der Schwangerschaft allein keine hadd-Strafe, außer wenn mit einem der in diesem Gesetz genannten Beweismittel ein unerlaubter Geschlechtsverkehr bewiesen wird.

Art. 74 – Der unerlaubte Geschlechtsverkehr wird durch vier rechtschaffene männliche Zeugen oder durch drei rechtschaffene männliche und zwei rechtschaffene weibliche Zeugen bewiesen, und zwar sowohl in dem Fall, in dem auf die Tat die hadd-Strafe der Auspeitschung, als auch in dem Fall, in dem auf die Tat die hadd-Strafe der Steinigung steht.

Art. 75 – Steht auf den unerlaubten Geschlechtsverkehr nur die hadd-Strafe der Auspeitschung, so kann er auch durch das Zeugnis von zwei unbescholtenen Männern und vier unbescholtenen Frauen bewiesen werden.

Art. 76 – Das Zeugnis von Frauen allein oder zusammen mit dem Zeugnis eines einzigen unbescholtenen Mannes beweist den unerlaubten Geschlechtsverkehr nicht, vielmehr wird gegen derartige Zeugen die hadd-Strafe wegen Verleumdung angewendet.

Art. 79 – Die Zeugen müssen ihr Zeugnis einer nach dem anderen ablegen. Legen einige von ihnen das Zeugnis ab und erscheinen die anderen nicht unmittelbar darauf oder legen nicht unmittelbar darauf ihr Zeugnis ab, so ist der unerlaubte Geschlechtsverkehr nicht bewiesen. In diesem Fall werden die Zeugen mit einer hadd-Strafe wegen Verleumdung belegt.

Art. 81 – Bereut die Frau oder der Mann, die einen unerlaubten Geschlechtsverkehr begangen haben, bevor die Zeugen ausgesagt haben, so entfallt die hadd-Strafe. Bereuen sie dagegen erst nachdem die Zeugen ausgesagt haben, so entfallt die hadd-Strafe nicht.

Dritter Abschnitt:

Arten der hadd-Strafe für unerlaubten Geschlechtsverkehr

Art. 82 – In den folgenden Fällen ist die hadd-Strafe die Todesstrafe, wobei es keinen Unterschied macht, ob jemand jung ist oder nicht, oder ob jemand muhsin ist oder nicht.

a) Der unerlaubte Geschlechtsverkehr zwischen Personen, wenn ein Eheverbot wegen Verwandtschaft besteht;

b) der unerlaubte Geschlechtsverkehr mit der Frau des Vaters führt zur Hinrichtung des Täters;

c) der unerlaubte Geschlechtsverkehr eines Nichtmuslims mit einer Muslimin führt zur Hinrichtung für denjenigen, der den Geschlechtsverkehr vollzieht;

Art. 83 –   In den folgenden Fällen ist die hadd-Strafe die Steinigung.

a) Der unerlaubte Geschlechtsverkehr eines Mannes, der muhsin ist, d.h. eines Mannes, der eine ständige Gattin  [Anmerkung der Übersetzerin: Die Schiiten (nicht aber die Sunniten) kennen zwei Formen von Ehe, die unbefristete Vollehe und die Zeitehe (mutca), die von vornherein nur für bestimmte Zeit geschlossen wird und der Frau weniger Rechte gibt.] hat, ihr beigewohnt hat und ihr zu jeder Zeit, die er möchte, beiwohnen kann, zieht die Steinigung nach sich;

b) der unerlaubte Geschlechtsverkehr einer Frau, die muhsina ist, d.h. einer Frau, die einen ständigen Ehemann hat, der mit ihr die Ehe, während sie geistig gesund war, vollzogen hat und die die Möglichkeit hat, mit ihrem Mann Geschlechtsverkehr zu haben, zieht die Steinigung nach sich, wenn sie unerlaubten Geschlechtsverkehr mit einem mündigen Mann hatte;

Erläuterung: Der unerlaubte Geschlechtsverkehr einer Frau, die muhsina ist, mit einem unmündigen Mann zieht die hadd-Strafe der Auspeitschung nach sich.

Art. 84 – An einem alten Mann bzw. einer alten Frau, die einen unerlaubten Geschlechtsverkehr gehabt haben, und die die Bedingungen des muhsin-Seins erfüllen, wird vor der Steinigung auch die Strafe der Auspeitschung vollzogen.

Art. 85 – Eine vorläufige Scheidung vor Ablauf der Wartefrist entläßt Mann und Frau nicht aus dem Status des muhsin-Seins, sondern erst ihre endgültige Scheidung.  [Anmerkung der Übersetzerin: Je nach der verwendeten Scheidungsformel endet die Ehe sofort oder läßt dem Mann ein Widerrufsrecht bis zum Ende der cidda, d.h. der etwa viermonatigen Frist, während der sich eine verwitwete oder geschiedene Frau nicht wieder verheiraten darf.]

Art. 86 – Der unerlaubte Geschlechtsverkehr eines Mannes oder einer Frau, die einen ständigen Ehegatten haben, die aber wegen einer Reise, Haft oder ähnlicher berechtigter Gründe nicht mit ihm zusammen sein können, wird nicht mit der Steinigung bestraft.

Art. 87 – Der verheiratete Mann, der vor dem Vollzug der Ehe einen unerlaubten Geschlechtsverkehr vollzieht, wird zur hadd-Strafe der Auspeitschung, des Kahlscherens des Kopfes und zu einem Jahr Verbannung verurteilt.

Art. 88 – Die hadd-Strafe für den unerlaubten Geschlechtsverkehr von Männern und Frauen, bei denen die Voraussetzungen des muhsin-Seins nicht vorliegen, ist hundert Peitschenhiebe.

Art. 89 – Die Wiederholung des unerlaubten Geschlechtsverkehrs vor der Vollstreckung der hadd-Strafe führt nicht zur Wiederholung der hadd-Strafe, wenn die Strafen gleichartig sind; sind die Strafen jedoch ungleichartig, wenn z.B. ein Teil in Auspeitschung und ein anderer Teil in der Steinigung besteht, so wird vor der Steinigung des Täters die hadd-Strafe der Auspeitschung vollzogen.

Art. 90 – Vollzieht ein Mann oder eine Frau mehrmals einen unerlaubten Geschlechtsverkehr und wurde jedesmal die hadd-Strafe an ihm bzw. an ihr vollstreckt, so wird er bzw. sie beim viertenmal getötet.

Art. 91 – Solange eine Frau schwanger ist oder stillt, wird die hadd-Strafe der Tötung oder Steinigung nicht vollstreckt; dasselbe gilt für die Zeit nach der Niederkunft, wenn das Neugeborene niemanden hat, der für es aufkommt und die Gefahr besteht, daß es stirbt; wird aber jemand gefunden, der für das Kind aufkommt, so wird die hadd-Strafe an der Mutter vollstreckt.

Art. 92 – Ist bei einer Frau, die schwanger ist oder stillt, durch die Vollstreckung der hadd-Strafe der Auspeitschung ein Schaden für das Ungeborene oder den Säugling zu befürchten, so wird die Vollstreckung der hadd-Strafe aufgeschoben, bis die Gefahr einer Schädigung nicht mehr besteht.

Art. 93 –   Wird ein Kranker oder eine übermäßig menstruierende Frau | zum Tode oder zur Steinigung verurteilt, so wird die hadd-Strafe vollstreckt. Wurden sie aber zur Auspeitschung verurteilt, so wird die Vollstreckung aufgeschoben, bis die Krankheit bzw. Menstruation vorbei ist.
Erläuterung: Die normale Menstruation hindert jedoch die Vollstreckung von hadd-Strafen nicht.

Art. 94 – Besteht bei einem Kranken keine Hoffnung auf Gesundung oder hält es der religiöse Richter aus Gründen des öffentlichen Interesses für angebracht, daß die hadd-Strafe auch im Krankheitsfall vollstreckt wird, so wird der Kranke ein einziges Mal mit einem Bündel aus Peitschen oder Gerten, das aus hundert einzelnen Teilen besteht, geschlagen, auch wenn nicht alle seinen Körper treffen.

Art. 95 – Wird der zu einer hadd-Strafe Verurteilte geisteskrank oder fällt er vom Islam ab, so entfällt die hadd-Strafe nicht.

Art. 96 –   Die hadd-Strafe der Auspeitschung darf weder bei sehr kaltem noch bei sehr heißem Wetter vollstreckt werden.

Art. 97 –   Die hadd-Strafe wird nicht auf dem Gebiet der Feinde des Islams angewendet.

Vierter Abschnitt:

Art der Vollstreckung der hadd-Strafen

Art. 98 – Wird eine Person zu mehreren hadd-Strafen verurteilt, so sind diese derart zu vollstrecken, daß keine von ihnen die Anwendung der anderen ausschließt; wird z.B. jemand zu Auspeitschung und Steinigung verurteilt, so muß zuerst die Auspeitschung vollstreckt werden und dann die Steinigung.

Art. 99 – Wird der unerlaubte Geschlechtsverkehr einer Person, die muhsin ist, durch ihr Geständnis bewiesen, so muß bei der Steinigung der religiöse Richter den ersten Stein werfen, danach erst die anderen Anwesenden. Wurde der unerlaubte Geschlechtsverkehr durch Zeugen bewiesen, so müssen zuerst die Zeugen, danach der religiöse Richter und dann die anderen Anwesenden die Steine werfen.
Erläuterung: Sind der Richter und die Zeugen nicht anwesend oder werfen sie den ersten Stein nicht, so hindert das die Vollstreckung der hadd-Strafe nicht. Diese muß in jedem Fall vollstreckt werden.

Art. 100 – Die hadd-Strafe der Auspeitschung muß ein Mann, der sich eines unerlaubten Geschlechtsverkehrs schuldig gemacht hat, im Stehen und bis auf die Schamteile unbekleidet erleiden; die Peitschenhiebe werden auf seinen ganzen Körper außer auf Kopf, Gesicht und Schamteile geschlagen. Eine Frau, die sich eines unerlaubten Geschlechtsverkehrs schuldig gemacht hat, wird im Sitzen und bekleidet ausgepeitscht.

Art. 101 – Der religiöse Richter soll die Bevölkerung vom Zeitpunkt der Vollstreckung einer hadd-Strafe unterrichten; bei der Vollstreckung der hadd-Strafe muß eine Anzahl von Gläubigen anwesend sein, die nicht weniger als drei betragen darf.

Art. 102 – Bei der Steinigung wird der Mann bis unter den Gürtel und die Frau bis unter die Brust in eine Grube eingegraben. Dann wird die Steinigung vollstreckt.

Art. 103 – Flieht der zur Steinigung Verurteilte aus der Grube, in die er gesteckt worden ist, so wird er, falls der unerlaubte Geschlechtsverkehr durch Zeugen bewiesen wurde, zur Vollstreckung zurückgebracht. Wurde dieser jedoch durch ein Geständnis bewiesen, so wird er nicht zurückgeholt.
Erläuterung: Flieht dagegen der zur Auspeitschung Verurteilte, so wird er in jedem Fall zur Vollstreckung der hadd-Strafe der Auspeitschung zurückgeholt.

Art. 104 – Die Steine dürfen bei einer Steinigung nicht so groß sein, daß die Person getötet wird, wenn sie von einem oder zwei davon getroffen wird und auch nicht so klein, daß man sie nicht mehr als Stein ansehen kann.

Art. 105 – Der religiöse Richter kann bei Rechten Gottes und Rechten der Menschen nach seinem Wissen verfahren und göttliches Recht anwenden. Er muß angeben, worauf sich sein Wissen gründet. Bei Rechten Gottes hängt die Vollstreckung nicht von dem Begehren einer Person ab. Bei Rechten von Menschen ist dagegen die Vollstreckung der hadd-Strafe von dem Begehren des Rechtsinhabers abhängig.

Art. 106 – Der unerlaubte Geschlechtsverkehr zu geheiligten Zeiten wie den schiitischen Festen, dem Ramadan oder dem Freitag und an heiligen Orten wie den Moscheen wird über die hadd-Strafe hinaus auch mit taLzir-Strafen belegt.

Art. 107 – Bei der Vollstreckung der hadd-Strafe der Steinigung müssen die Zeugen anwesend sein. Sind sie abwesend, so entfällt zwar die hadd-Strafe nicht, wohl aber wenn sie fliehen.

Die hadd-Strafen wegen Homosexualität

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Zweites Buch:

Die hadd-Strafen

Zweites Kapitel:

Die hadd-Strafen wegen Homosexualität

Erster Abschnitt:

Definition und Strafdrohungen für hadd-Strafen wegen Homosexualität

Art. 108 – Homosexueller Verkehr ist der geschlechtliche Verkehr eines Mannes mit einem Mann durch Eindringen des Gliedes oder beischlafähnliche Handlungen.

Art. 109 – Der aktive und der passive Teilnehmer des homosexuellen Verkehrs werden beide mit hadd-Strafen bestraft.

Art. 110 – Die hadd-Strafe für Homosexualität in der Form des Verkehrs ist die Todesstrafe. Die Tötungsart steht im Ermessen des religiösen Richters.

Art. 111 – Der homosexuelle Verkehr zieht dann die Todesstrafe nach sich, wenn der aktive und der passive Täter mündig und geistig gesund sind sowie aus freiem Willen gehandelt haben.

Art. 112 – Hat ein Mann, der mündig und geistig gesund ist, mit einem Unmündigen homosexuellen Verkehr, so wird er getötet, und der passive Teilnehmer, wenn er nicht gezwungen wurde, mit einer ta’zir-Strafe von bis zu vierundsiebzig Peitschenhieben bestraft.

Art. 113 – Hat ein Unmündiger mit einem anderen Unmündigen homosexuellen Verkehr, so werden sie mit einer ta’zir-Strafe von bis zu vierundsiebzig Peitschenhieben bestraft, außer wenn einer von ihnen gezwungen wurde.

Art. 122 – Werden die beischlafähnlichen oder vergleichbaren Handlungen dreimal wiederholt und ist jedesmal eine hadd-Strafe verhängt worden, so ist die hadd-Strafe beim viertenmal die Todesstrafe.

Art. 123 – Liegen zwei Männer, die nicht miteinander blutsverwandt sind, ohne Notwendigkeit nackt unter derselben Decke, so werden beide mit einer ta’zir-Strafe von bis zu neunundneunzig Peitschenhieben bestraft.

Lesbische Liebe

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Zweites Buch:

Die hadd-Strafen

Drittes Kapitel:

Lesbische Liebe

Art. 127 – Lesbische Liebe ist das homosexuelle Spiel von Frauen mit einem Geschlechtsteil einer anderen Frau.

Art. 128 – Die gerichtlichen Beweismittel der lesbischen Liebe sind dieselben wie für Homosexualität.

Art. 129 – Die hadd-Strafe für lesbische Liebe sind für jeden hundert Peitschenhiebe.

Art. 130 – Die hadd-Strafe für lesbische Liebe wird gegen eine Person verhängt, die mündig und geistig gesund ist und aus freiem Willen und mit Vorsatz handelt.

Erläuterung: Bei der lesbischen Liebe gibt es keinen Unterschied zwischen aktiver und passiver Teilnehmerin, ebensowenig zwischen Muslimin und Nichtmuslimin.

Art. 131 – Wurde die lesbische Liebe dreimal wiederholt und ist jedesmal eine hadd-Strafe verhängt worden, so ist die hadd-Strafe beim viertenmal die Todesstrafe.

Art. 134 – Liegen zwei Frauen, die nicht miteinander blutsverwandt sind, ohne Notwendigkeit nackt unter derselben Decke, werden sie mit einer ta’zir-Strafe von unter hundert Peitschenhieben bestraft. Im Falle der Wiederholung der Tat und der ta’zir-Strafe erhalten sie beim drittenmal hundert Peitschenhiebe.

Die hadd-Strafen für das Trinken berauschender Getränke

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Zweites Buch:

Die hadd-Strafen

Sechstes Kapitel:

Die hadd-Strafen für das Trinken berauschender Getränke

Erster Abschnitt:

Strafgrund bei den hadd-Strafen für das Trinken berauschender Getränke

Art. 165 – Das Trinken von berauschenden Getränken, in geringer oder größerer Menge, wirke es berauschend oder nicht, seien sie rein oder vermischt, begründet eine hadd-Strafe, sofern sie noch als berauschende Getränke anzusehen sind.

Erläuterung 1: Bier steht dem Wein gleich, auch wenn es keinen Rausch verursacht, und sein Konsum begründet eine hadd-Strafe.

Erläuterung 2: Das Trinken von Most, der von allein in Gärung geraten oder durch Feuer oder die Sonne oder andere Umstände erhitzt worden ist, ist zwar verboten, begründet aber keine hadd-Strafe.

Zweiter Abschnitt:

Voraussetzungen für eine hadd-Strafe für das Trinken berauschender Getränke

Art. 166 – Eine hadd-Strafe für das Trinken berauschender Getränke wird gegen eine Person verhängt, die mündig und geistig gesund ist, freiwillig handelt und weiß, daß es sich um ein berauschendes Getränk handelt und daß dessen Konsum verboten ist.

Erläuterung 1: Behauptet der Weintrinkende, das Gesetz oder die Sache nicht zu kennen, und erscheint die Richtigkeit seiner Behauptung als wahrscheinlich, so wird er nicht zu einer hadd-Strafe verurteilt.

Erläuterung 2: Weiß die Person, daß Weintrinken verboten ist und trinkt dennoch Wein, so wird sie zu einer hadd-Strafe verurteilt, auch wenn sie nicht weiß, daß das Trinken eine hadd-Strafe nach sich zieht.

Art. 174 – Die hadd-Strafe für das Trinken berauschender Getränke ist für Männer und Frauen achtzig Peitschenhiebe.

Erläuterung: Nichtmuslime werden zu den achtzig Peitschenhieben nur dann verurteilt, wenn sie die berauschenden Getränke öffentlich trinken.

Art. 175 – Wer alkoholische Getränke herstellt, beschafft, kauft, verkauft, transportiert oder anbietet, wird zu Gefängnis von sechs Monaten bis zu zwei Jahren verurteilt. Wer durch Verlockung, Bestechung und List die Mittel zu ihrem Genuß bereitstellt, gilt als Teilnehmer beim Trinken berauschender Getränke und wird zu bis zu vierundsiebzig Peitschenhieben verurteilt.

Dritter Abschnitt:

Art und Weise der Vollstreckung der hadd-Strafe

Art. 176 – Männer werden im Stehen und bis auf die Schamteile unbekleidet ausgepeitscht, Frauen im Sitzen und bekleidet.

Erläuterung: Peitschenhiebe dürfen nicht auf Kopf, Gesicht und Schamteile der Verurteilten geschlagen werden.

Art. 177 – Die hadd-Strafe wird vollstreckt, sobald der Verurteilte wieder nüchtern ist.

Art. 178 – Trinkt eine Person mehrmals und wurde die hadd-Strafe nicht verhängt, so reicht für alle Fälle eine hadd-Strafe aus.

Art. 179 – Trinkt jemand mehrmals berauschende Getränke und wurde nach jedem Mal eine hadd-Strafe verhängt, so wird er beim drittenmal getötet.

Art. 180 – Wird der zu einer hadd-Strafe Verurteilte geisteskrank oder fällt er vom Islam ab, so entfällt die hadd-Strafe nicht.

Kampf gegen Gott und Verderbenstiften auf Erden

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Zweites Buch:

Die hadd-Strafen

Siebtes Kapitel:

Kampf gegen Gott und Verderbenstiften auf Erden

Dritter Abschnitt:

Die hadd-Strafe für den Kampf gegen Gott und das Verderbenstiften auf Erden

Art. 190 – Die hadd-Strafe für den Kampf gegen Gott und das Verderbenstiften auf Erden ist eine der vier folgenden:

1. Tötung;

2. Kreuzigung;

3. Abschneiden zuerst der rechten Hand und dann des linken Fußes;

4. Verbannung.

Art. 191 – Die Auswahl aus diesen vier Strafen liegt im Ermessen des Richters, sowohl wenn der Kämpfer gegen Gott eine Person getötet, verletzt oder beraubt hat als auch, wenn er nichts davon getan hat.

Art. 192 – Die hadd-Strafe für den Kampf gegen Gott und das Verderbenstiften auf Erden entfallt durch die Verzeihung des Rechtsinhabers nicht.

Art. 193 – Verderbenstifter auf Erden und Kämpfer gegen Gott, die verbannt werden, müssen unter Aufsicht gestellt werden und dürfen keinen Umgang und keine freundschaftlichen Beziehungen mit anderen pflegen.

Art. 194 – Die Dauer der Verbannung beträgt in keinem Fall weniger als ein Jahr, auch wenn der Täter nach der Verhaftung Reue gezeigt hat; hat er keine Reue gezeigt, so verbleibt er in der Verbannung.

Art. 195 – Die Kreuzigung des Kämpfers gegen Gott und Verderbenstifters auf Erden wird folgendermaßen ausgeführt:

a) die Art des Anbindens darf nicht um Tode führen;

b) der Täter bleibt nicht länger als drei Tage am Kreuz hängen. Stirbt er während der drei Tage, kann man ihn abnehmen;

c) lebt der Täter nach den drei Tagen noch, so darf man ihn nicht töten.

Art. 196 – Das Abschneiden der rechten Hand und des linken Fußes des Kämpfers gegen Gott geschieht in der gleichen Weise wie bei der hadd-Strafe für Diebstahl.

Vierter Abschnitt:

Die hadd-Strafe für Diebstahl

Art. 201 – Die hadd-Strafe ist, wie im folgenden erläutert:

a) beim erstenmal Abschneiden von vier Fingern der rechten Hand des Diebes von ihrem Ansatz an, so daß ihm sechs Finger und die Handfläche verbleiben;

b) beim zweitenmal Abschneiden des linken Fußes des Diebes und zwar von unten her am Fußrist, so daß der halbe Fuß und ein Teil des Fußballens übrig bleiben;

c) beim drittenmal lebenslange Gefängnisstrafe;

d) beim viertenmal, wenn der Dieb auch im Gefängnis noch stiehlt, die Todesstrafe.

Erläuterung 1: Mehrere Diebstähle gelten, solange noch keine hadd-Strafe verhängt wurde, als ein Diebstahl.

Erläuterung 2: Wer Teilnehmer eines Diebstahls gemäß Artikel 198 ist, wird zu Gefängnisstrafe von einem Jahr bis zu drei Jahren verurteilt.

Art. 202 – Wurden die Finger der Hand des Diebes abgeschnitten und wird nach Vollstreckung dieser hadd-Strafe ein weiterer Diebstahl bewiesen, den der Dieb vor der Vollstreckung der hadd-Strafe begangen hat, so wird sein linker Fuß abgeschnitten.

Art. 203 – Ein Diebstahl, der die Voraussetzungen für die Verhängung einer hadd-Strafe nicht erfüllt, aber die Gesetzte verletzt hat und der Angst vor der Brutalität des Täters oder anderer ausgelöst hat, wird, wenn kein Kläger vorhanden ist oder dieser Verzeihung gewährt hat, mit ta’zir-Gefängnisstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Eine Teilnahme am Diebstahl wird mit Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft.

Die Vergeltung für das Leben

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Drittes Buch:

Die Vergeltung

Erstes Kapitel:

Die Vergeltung für das Leben

Erster Abschnitt:

Die vorsätzliche Tötung

(?)

Art. 209 – Tötet ein muslimischer Mann vorsätzlich eine muslimische Frau, so wird er zu Vergeltung verurteilt. Der Bluträcher der Frau muß jedoch vor der Vollstreckung der Vergeltung an dem Täter diesem das halbe Blutgeld für einen Mann zahlen.

Art. 210 – Tötet ein Ungläubiger, der zu den Schutzgenossen21 [Anmerkung  der Übersetzerin: Angehörige einer Religion, die eine Offenbarung durch eine heilige Schrift empfangen haben wie die Juden, Christen und Zoroastrier. Sie konnten im islamischen Staat unbehelligt leben,  da  zwischen  ihren  Gemeinden  und der  islamischen Gemeinde ein] zählt, vorsätzlich einen anderen Ungläubigen, der ein Schutzgenosse ist, so wird Vergeltung geübt, auch wenn es sich um Anhänger zweier verschiedener Religionen handelt. Ist das Opfer eine Frau, die zu den Schutzgenossen gehört, so muß ihr Bluträcher vor der Vollstreckung der Vergeltung an dem Täter diesem das halbe Blutgeld für einen Mann zahlen.

Vierter Abschnitt:

Die Voraussetzungen für die Vergeltung

Art. 219 – Wer zu Vergeltung verurteilt wird, kann nur mit Erlaubnis des Bluträchers getötet werden. Wird er ohne Erlaubnis des Bluträchers getötet, so begeht der Täter eine Tötung, die Vergeltung nach sich zieht.

Art. 220 – An dem Vater oder Großvater väterlicherseits, der seinen Abkömmling tötet, wird keine Vergeltung geübt, er wird nur zur Zahlung des Blutgeldes für die Tötung an die Erben des Getöteten und zu einer ta’zir-Strafe verurteilt.

(?)

Sechster Abschnitt:

Die Beweismittel bei der Tötung

Art. 231 – Die gerichtlichen Beweismittel für eine Tötung sind folgende: 1. das Geständnis, 2. die Zeugenaussage, 3. das Schwurverfahren der qasama, 4. das Wissen des Richters.

Sechster Abschnitt:

Die Beweismittel bei der Tötung

Dritter Unterabschnitt:

Die qasama

Art. 248 – In den Verdachtsfällen wird die vorsätzliche Tötung durch fünfzig Eide bewiesen. Diejenigen, die den Eid leisten, müssen mit dem Ankläger verwandt und erwachsene Männer sein.

Erläuterung 1: Ankläger und Angeklagter können je nach den Umständen des Falles einer von denen sein, die den Eid leisten.

Erläuterung 2: Falls die Anzahl derer, die den Eid leisten, unter fünfzig liegt, kann jeder der Männer, die den Eid leisten, mehr als einen Eid leisten, bis fünfzig Eide geleistet wurden.

Erläuterung 3: Ist kein Mann aus der Familie des Anklägers zur Leistung der qasama zur Stelle, so kann der Ankläger fünfzig Eide leisten, auch wenn er eine Frau ist.

(?)

Siebter Abschnitt:

Art und Weise der Vollstreckung der Vergeltung

Art. 257 – Eine vorsätzliche Tötung zieht Vergeltung nach sich, jedoch kann sie mit Zustimmung des Bluträchers und des Täters in den Betrag des vollen Blutgeldes oder weniger oder mehr umgewandelt werden.

(?)

Art. 263 – Die Vergeltung wird mit einem geeigneten Instrument vollstreckt. Ein stumpfes Instrument, das dem Täter Qualen bereitet, ist nicht zulässig; dergleichen stellt eine Straftat dar.

(?)

Art. 266 – Hat das Opfer keinen Bluträcher, ist dieser unbekannt oder unerreichbar, so ist der Herrscher Bluträcher. Das Oberhaupt der Justiz leitet Schritte zur Verfolgung des Täters und je nach Fall zum Verlangen nach Vergeltung oder Blutgeld ein, indem es beim Herrscher die Erlaubnis einholt und die Sache an den zuständigen Staatsanwalt abgibt.

(?)

Die Vergeltung für Glieder

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Drittes Buch:

Die Vergeltung

Zweites Kapitel:

Die Vergeltung für Glieder

Zweiter Abschnitt:

Voraussetzungen und Art des Vollzugs der Vergeltung für Glieder

Art. 272 – Bei Vergeltung für ein Glied sind außer zu den Voraussetzungen für die Vergeltung für eine Tötung folgende Voraussetzungen zu beachten:

1. die Gleichheit der Glieder in beziig auf ihren Gesundheitszustand;

2. die Gleichheit der Glieder in bezug auf ihre Bedeutung;

3. die Gleichheit des verwundeten Gliedes in bezug auf seine Lage;

4. die Vergeltung darf nicht zum Tod des Täters führen;

5. die Vergeltung darf nicht schwerer sein als die Straftat.

Art. 273 – Bei Vergeltung für Glieder sind Mann und Frau gleich, und der männliche Täter wird wegen des Verlustes eines Gliedes oder einer Verletzung, die er einer Frau zufügt, gleichermaßen zu Vergeltung verurteilt, es sei denn, daß das Blutgeld für ein Glied, dessen Verlust verursacht wird, ein Drittel oder mehr als ein Drittel des vollen Blutgeldes beträgt. In diesem Fall kann die Frau Vergeltung nur dann üben, wenn sie das halbe Blutgeld für dieses Glied an den Mann zahlt.26[Anmerkung der Übersetzerin: Beispiel: Zehn Finger einer Hand entsprechen einem vollen Blutgeld. Trennt ein Mann einer Frau drei Finger ab, so kann sie ihm ebenfalls drei Finger abschneiden, trennt ein Mann einer Frau vier Finger ab, so kann sie ihm zwar auch vier Finger abschneiden, muß ihm aber zwei Zehntel eines Blutgeldes, d.h. 4 x 1/10:2, zahlen (vgl. Mai-asi, Sarh-i qanun-i hudud-o-qisas (Kommentar zum hudud- und qisas-Gesetz), Teheran 1365 (1986), S. 114.]

Art. 274 – Für ein krankes Glied wird Vergeltung nicht an einem gesunden Glied geübt, sondern nur das Blutgeld für dieses Glied gezahlt. An einem kranken Glied wird jedoch für ein gesundes Glied Vergeltung geübt.

Art. 275 – Bei Vergeltung für ein Glied ist die Gleichheit der Lage zu beachten. Für ein Glied auf der rechten Seite ist an einem Glied des Täters auf dieser Seite, für ein Glied auf der linken Seite ist an einem Glied auf der linken Seite des Täters Vergeltung zu üben.

Erläuterung: Hat der Täter keine rechte Hand, so ist seine linke, wenn er auch diese nicht hat, sein Fuß abzuschneiden.

Art. 276 – Eine Verletzung, die als Vergeltung zugefügt wird, muß in ihrer Länge und Breite der Körperverletzung entsprechen; wo es möglich ist, ist auch die Gleichheit bei der Tiefe zu beachten.
Erläuterung: Bei Wunden, die dem Schädelknochen oder der Schädelhaut zugefügt werden, ist die Gleichheit bei der Tiefe nicht Bedingung; es reicht vielmehr, wenn diese der Erfahrung nach gewährleistet ist.

Art. 278 – Vergeltung für ein Glied kann sofort vollzogen werden. Es braucht nicht gewartet zu werden, bis die Lage der Verletzung geklärt ist. Wird aber Vergeltung geübt und führt danach die zugefügte Verletzung zum Tod des Opfers, so wird der Täter bei einer vorsätzlichen Tat zu Vergeltung für das Leben verurteilt. Vor der Vollstreckung der Vergeltung für das Leben muß dem Täter jedoch das Blutgeld für die Verletzung gezahlt werden, die ihm zuvor als Vergeltung wegen des Gliedes zugefügt worden war.

Art. 279 – Zur Berücksichtigung der Gleichheit der Vergeltung mit der Körperverletzung müssen die Ränder der Wunde genau ausgemessen werden. Hindernisse, die die Anwendung der Vergeltung beeinträchtigen oder die zu einem Übermaß führen können, sind zu beseitigen.28[Anmerkung der Übersetzerin: Z.B. müssen Haare abgeschnitten werden, die den Wundrand verdecken.]

Art. 282 – Die Instrumente für die Vollstreckung der Vergeltung müssen scharf, dürfen nicht vergiftet sein und müssen sich zur Vollstreckung der Vergeltung für das Abschneiden oder das Zufügen von Wunden eignen. Der dem Täter zugefügte Schmerz darf nicht größer sein als der durch seine Tat zugefügte.

Art. 283 – Blendet eine Person, die nur ein Auge hat, einen anderen oder reißt sie ihm die Augen aus, so wird Vergeltung geübt, obwohl der Täter nur ein Auge hat, und es wird kein Blutgeld gezahlt.

Art. 286 – An einem gesunden Auge kann wegen Augen mit einer geringeren als der üblichen Sehkraft Vergeltung geübt werden.

Art. 287 –   Schneidet eine Person einer anderen einen Teil des Ohrs ab und fügt das Opfer den abgeschnittenen Teil dem Ohr wieder an, so entfällt die Vergeltung nicht. Fügt der Täter, nachdem ein Teil seines Ohres zur Vergeltung abgeschnitten worden ist, diesen abgeschnittenen Teil wieder an, so darf niemand diesen Teil zum zweiten Mal abschneiden, damit jener die Spuren der Vergeltung trägt.

Art. 288 – Das Abschneiden der Ohrmuschel, das zum Verlust des Gehörs führt, wird als zwei Taten angesehen.

Art. 289 – Schneidet eine Person einer anderen die Nase ab, so darf das Opfer Vergeltung üben, auch wenn die Nase keinen Geruchssinn hatte.

Art. 290 – Schneidet eine Person einer anderen die Zunge oder die Lippen ab, so zieht dies Vergeltung unter Berücksichtigung der Gleichheit von Ausmaß und Ort nach sich.
Erläuterung: Schneidet eine Person, die sprechen kann, die Zunge einer stummen Person ab, so ist Vergeltung unzulässig; diese muß vielmehr in Blutgeld umgewandelt werden.

Art. 291 –   Schlägt oder bricht eine Person einer anderen einen Zahn aus, so wird Vergeltung unter Berücksichtigung der Vorschriften für die Vergeltung für ein Glied geübt.
Erläuterung: Falls dem Opfer, bevor es Vergeltung übt, ein neuer Zahn wächst, wird der Täter zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt, wenn der Zahn schadhaft ist; ist der Zahn dagegen gesund, so wird eine ta’zir-Strafe von höchstens vierundsiebzig Peitschenhieben verhängt.

Art. 292 –   Ist das Opfer ein Kind, so muß das Urteil um die erfahrungsgemäß erforderliche Zeit verschoben werden: Wachsen dem Kind neue; Zähne nach, so ist der Täter zu einer Geldstrafe zu verurteilen, andernfalls zu Vergeltung.

Art. 293 – Hatte die Tat ein überzähliges Glied zum Gegenstand, und hat der Täter kein entsprechendes überzähliges Glied, so wird er nur zur Zahlung des Blutgeldes verurteilt.

Die Höhe des Blutgeldes für eine Tötung

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Viertes Buch:

Blutgeld

Zweites Kapitel:

Die Höhe des Blutgeldes für eine Tötung

Art. 297 – Das Blutgeld für einen muslimischen Mann besteht in einer der sechs unten aufgeführten Sachen, die der Täter frei wählen, aber nicht kombinieren kann:

1. hundert gesunde und fehlerfreie Kamele, die nicht sehr mager sein dürfen;

2. zweihundert gesunde und fehlerfreie Kühe, die nicht sehr mager sein dürfen;

3. tausend gesunde und fehlerfreie Hammel, die nicht sehr mager sein dürfen;

4. zweihundert fehlerfreie jemenitische Gewänder;

5. tausend echte und unverfälschte geprägte Dinare von je einem gesetzlichen Meskal Gold im Gewicht von achtzehn nuhud;

6. zehntausend echte und unverfälschte geprägte Dirhams von einem Gewicht von je sechs Zwölftel nuhüd Silber.

Erläuterung: Der Wert einer jeden dieser sechs Sachen wird gezahlt, wenn beide Seiten zustimmen oder die Sachen selbst nicht erbracht werden können.

Art. 300 – Das Blutgeld beträgt sowohl für die vorsätzliche als auch für die nicht vorsätzliche Tötung einer muslimischen Frau die Hälfte des Blutgeldes für einen muslimischen Mann.

Art. 301 – Das Blutgeld für eine Frau und für einen Mann ist gleich, bis der Betrag ein Drittel des vollen Blutgeldes erreicht; darüber hinaus beträgt das Blutgeld für die Verletzung einer Frau die Hälfte des Blutgeldes für die Verletzung eines Mannes.

[Anmerkung der Übersetzerin: Vgl. Anmerkung zu Art. 273.]

Das Blutgeld für Glieder

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Viertes Buch:

Blutgeld

Neuntes Kapitel:

Das Blutgeld für Glieder

Art. 367 – Für jede Verletzung eines Körperteils, für den nicht nach islamischem Recht ein besonderer Betrag als Blutgeld bestimmt ist, muß der Täter eine Geldstrafe zahlen.

Erster Abschnitt:

Das Blutgeld für Haare

Art. 368 – Entfernt jemand das Haupthaar oder das Gesichtshaar eines Mannes in einer Weise, daß es nicht nachwächst, hat er das volle Blutgeld zu zahlen; wenn es nachwächst, muß er für das Haupthaar eine Geldstrafe zahlen; für den Bart haftet er nur mit einem Drittel des vollen Blutgeldes.

Art. 369 – Entfernt jemand das Haupthaar einer Frau in einer Weise, daß es nicht nachwächst, haftet er für das volle Blutgeld für eine Frau, und wenn es nachwächst, haftet er wie für den angemessenen Brautpreis. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen einer erwachsenen Frau und einem jungen Mädchen.

Erläuterung: Ist der Brautpreis höher als das volle Blutgeld, wird er nur bis zum Betrag des vollen Blutgeldes bezahlt.

Art. 370 – Wächst ein Teil der ausgerissenen Haare nach und ein anderer Teil nicht, wird der Teil, der nicht nachwächst, zu der gesamten Haarfläche in Beziehung gesetzt, und der Geschädigte erhält Blutgeld im entsprechenden Verhältnis.

Art. 371 – Die Feststellung, ob das Haar nachwächst oder nicht, obliegt einem Sachverständigen, und wenn nach dem Gutachten des Sachverständigen das Blutgeld oder die Geldstrafe bezahlt wurde und das Haar später doch nachwächst, muß der Betrag, der über die danach geschuldete Geldstrafe hinausgeht, dem Täter zurückerstattet werden.

Art. 372 – Das Blutgeld für die beiden Augenbrauen beträgt, falls diese nicht mehr nachwachsen, 500 Dinar; das Blutgeld für jede einzelne 250 Dinar. Das Blutgeld für einen Teil der Augenbrauen steht im entsprechenden Verhältnis zur ganzen. Wachsen die Augenbrauen nach, ist eine Geldstrafe verwirkt. Wächst ein Teil von ihnen nach und ein anderer Teil nicht, ist für den nachwachsenden Teil eine Geldstrafe verwirkt, für den nicht nachwachsenden Teil Blutgeld für den jeweiligen Teil der Oberfläche.

Art. 373 – Die Entfernung der Augenwimpern und der Härchen des unteren Augenlids ziehen eine Geldstrafe nach sich, unabhängig davon, ob sie nachwachsen oder nicht, und auch davon, ob sie ganz oder nur teilweise entfernt wurden.

Art. 374 – Die Entfernung von Haaren führt dann zu Geldstrafe oder Blutgeld, wenn sie allein erfolgt und nicht zusammen mit der Entfernung eines Gliedes, des Ablösens von Haut oder dergleichen Handlungen. In solchen Fällen ist nur das Blutgeld für das abgeschnittene Glied oder dergleichen zu zahlen.

Zweiter Abschnitt:

Das Blutgeld für die Augen

Art. 375 – Die Zerstörung von beiden gesunden Augen begründet den Anspruch auf das volle Blutgeld, und das Blutgeld für jedes einzelne von ihnen beträgt die Hälfte des vollen Blutgeldes.

Erläuterung: Alle sehfähigen Augen sind nach der obigen Vorschrift gleichwertig, auch wenn sie sich durch Schwäche, Krankheit, Nachtblindheit oder Schielen unterscheiden.

Art. 376 – Das Blutgeld für ein Auge, das in seiner Pupille einen weißen Fleck hat, ist ein volles Blutgeld, wenn dieser Fleck die Sehfähigkeit nicht beeinträchtigt. Beeinträchtigt er die Sehfähigkeit teilweise, ist das Unterscheidungsvermögen aber noch erhalten, so wird im entsprechenden Verhältnis ein Abzug vom Blutgeld vorgenommen. Hat der weiße Fleck die Sehfähigkeit insgesamt zerstört, ist nur eine Geldstrafe, kein Blutgeld fällig.

Art. 377 – Das Blutgeld für das Auge einer Person, die nur ein gesundes, sehendes Auge hat, während sie da zweite Auge von Geburt an oder infolge einer Krankheit oder einer anderen Ursache, die nicht mit einer Straftat zusammenhängt, verloren hat, ist das volle Blutgeld. Wurde das andere Auge durch Vergeltung oder eine Körperverletzung verloren, beträgt das Blutgeld die Hälfte des vollen Blutgeldes.

Art. 378 – Bei einer Person, die ein sehendes und ein blindes Auge hat, beträgt das Blutgeld für das blinde Auge ein Drittel des vollen Blutgeldes für das Sehende, unabhängig davon, ob es von Natur aus blind war oder ob es durch eine Körperverletzung erblindet ist.

Art. 379 – Das Blutgeld für die vier Augenlider der beiden Augen ist das volle Blutgeld; das Blutgeld für die oberen Augenlider beträgt ein Drittel des vollen Blutgeldes und das Blutgeld für die unteren Augenlider die Hälfte des vollen Blutgeldes.

Dritter Abschnitt:

Das Blutgeld für die Nase

Art. 380 – Das Abschneiden der ganzen Nase durch eine Handlung oder der Nasenflügel unter der Röhre und dem Knochen gibt Anspruch auf das volle Blutgeld. Das Abschneiden eines Teils der Nasenflügel gibt Anspruch auf einen entsprechenden Teil des Blutgeldes.

Art. 381 – Das Abschneiden eines Teils des Nasenknochens nach dem Abschneiden der Nasenflügel gibt Anspruch auf das volle Blutgeld und eine Geldstrafe.

Art. 382 – Die Zerstörung und Zertrümmerung der Nase sowie die Zufügung von Brandverletzungen an der Nase in einer Weise, daß keine Heilung erfolgt, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld. Ist aber eine Wiederherstellung ohne verbleibende Schäden möglich, sind 100 Dinar zu zahlen.

Art. 383 – Die Lähmung der Nase gibt Anspruch auf zwei Drittel des vollen Blutgeldes und das Abschneiden der gelähmten Nase gibt Anspruch auf ein Drittel des vollen Blutgeldes.

Art. 384 – Die Zerstörung jeden Nasenlochs gibt Anspruch auf ein Drittel des vollen Blutgeldes und das Durchlöchern der Nase, so daß beide Nasenlöcher und die Nasenscheidewand zwischen ihnen zerstört werden oder diese ein Loch hat, aber nicht völlig zerstört ist, gibt Anspruch auf ein Drittel des vollen Blutgeldes. Ist die Wiederherstellung möglich, ist ein Fünftel des Blutgeldes zu zahlen.

Art. 385 – Das Blutgeld für das Abschneiden der Nasenspitze in der Weise, daß Blut fließt, ist das halbe Blutgeld.

Vierter Abschnitt:

Das Blutgeld für Ohren

Art. 386 – Das Abtrennen beider Ohren gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, das Abtrennen eines von ihnen auf die Hälfte des vollen Blutgeldes. Das Abtrennen eines Teils von ihnen gibt Anspruch auf Blutgeld nach demselben Maßstab unter Berücksichtigung des Verhältnisses zum ganzen Ohr.

Art. 387 – Das Abtrennen eines Ohrläppchens gibt Anspruch auf ein Drittel des Blutgeldes für das Ohr, und das Abtrennen eines Teils davon gibt Anspruch auf Blutgeld im entsprechenden Verhältnis.

Art. 388 – Das Zerfetzen eines Ohrs gibt Anspruch auf ein Drittel des Blutgeldes.

Art. 389 – Die Lähmung eines Ohrs gibt Anspruch auf zwei Drittel des Blutgeldes und das Abschneiden eines gelähmten Ohrs auf ein Drittel des Blutgeldes.

Erläuterung : Verletzt jemand ein Ohr und führt dadurch eine Entzündung des Gehörs herbei und wird dieses dadurch geschädigt oder eine Entzündung oder Zerstörung des Knochens verursacht, ist jeweils ein besonderes Blutgeld zu leisten.

Art. 390 – Ein gesundes hörfähiges Ohr und ein taubes Ohr sind nach den genannten Vorschriften in den obigen Fällen gleichwertig.

Fünfter Abschnitt:

Das Blutgeld für Lippen

Art. 391 – Das gleichzeitige Abtrennen beider Lippen gibt Anspruch auf das volle Blutgeld. Das Abtrennen einer von ihnen gibt Anspruch auf die Hälfte des vollen Blutgeldes, das Abtrennen eines Teils der Lippen begründet den Anspruch auf einen Teil des Blutgeldes unter Berücksichtigung des Verhältnisses zu den Lippen insgesamt.

Art. 392 – Eine Verletzung, durch die die Lippen derart zurückgezogen werden, daß die Zähne nicht mehr bedeckt sind, gibt Anspruch auf einen Betrag, den der Richter festsetzt.

Art. 393 – Eine Verletzung, die die Lippen so erschlaffen läßt, daß beim Lachen und ähnlichen Bewegungen die Zähne nicht mehr sichtbar werden, gibt Anspruch auf zwei Drittel des vollen Blutgeldes.

Art. 394 – Das Abtrennen gelähmter und empfindungsloser Lippen gibt Anspruch auf ein Drittel des Blutgeldes.

Art. 395 – Das Spalten einer oder beider Lippen, so daß die Zähne sichtbar sind, gibt Anspruch auf ein Drittel des vollen Blutgeldes, falls Heilung möglich ist, auf ein Fünftel des vollen Blutgeldes.

Sechster Abschnitt:

Das Blutgeld für die Zunge

Art. 396 – Das Abschneiden der ganzen gesunden Zunge oder der Sprachverlust bei einem gesunden Menschen durch einen Schlag auf das Gehirn oder eine ähnliche Handlung, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, das Abschneiden der Zunge eines Stummen auf ein Drittel des vollen Blutgeldes.

Art. 397 – Das Abschneiden eines Teils der Zunge eines Stummen gibt Anspruch auf das Blutgeld im entsprechenden Verhältnis zur ganzen Zunge; das Blutgeld für einen Teil der Zunge eines gesunden Menschen steht jedoch im Verhältnis zum Verlust der Fähigkeit, Laute zu bilden.

Art. 398 – Die Bestimmung des Teils des Blutgeldes für eine Verletzung der Zunge, die zwar nicht zum Verlust bestimmter Laute führt, aber einen Sprachfehler zur Folge hat, erfolgt durch den Richter.

Art. 399 – Schneidet jemand einen Teil der Zunge ab und hat dies die Unfähigkeit zur Folge, bestimmte Laute zu artikulieren, und schneidet ein anderer den anderen Teil der Zunge ab, was zum Verlust der Fähigkeit führt, die restlichen Laute zu artikulieren, entspricht das jeweilige Blutgeld dem Verhältnis des Verlustes der Artikulationsfähigkeit.

Art. 400 – Das Abschneiden der Zunge eines Kindes, das noch nicht sprechen kann, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld.

Art. 401 – Das Abschneiden der Zunge eines Kindes, das das Alter zum Sprechen erreicht hat, aber noch nicht spricht, gibt Anspruch auf ein Drittel des Blutgeldes. Stellt sich nachträglich heraus, daß die Zunge gesund und zum Sprechen geeignet war, wird das volle Blutgeld berechnet und der Rest vom Täter nachgefordert.

Art. 402 – Hat eine Verletzung Stummheit zur Folge und wurde das volle Blutgeld vom Täter gezahlt, heilt aber später die Zunge und wird wieder gesund, ist das Blutgeld zurückzuerstatten.

Siebter Abschnitt:

Das Blutgeld für Zähne

Art. 403 – Das Entfernen aller achtundzwanzig Zähne begründet Anspruch auf das volle Blutgeld, und zwar wird dieses folgendermaßen aufgeteilt:

1. für jeden Vorderzahn, nämlich die mittleren und seitlichen Schneidezähne und die Eckzähne, davon je zwei oben und zwei unten, insgesamt zwölf Zähne, je 50 Dinar, für alle zusammen 600 Dinar;

2. für jeden Backenzahn an den vier Enden der Zahnreihe oben und unten, jeweils ein vorderer und drei hintere Backenzähne, alles zusammen 16 Zähne, je 25 Dinar, für alle zusammen 400 Dinar.

Art. 404 – Zusätzliche Zähne geben keinen Anspruch auf Blutgeld, ohne Rücksicht darauf, in welcher Art sie gewachsen sind. Werden sie gezogen und entsteht dabei ein Schaden, wird die Höhe der Geldestrafe durch den Richter bestimmt; entsteht kein Schaden, wird auch keine Geldstrafe auferlegt. Der Richter verhängt aber nach seinem Ermessen bis zu vierundsiebzig Peitschenhieben.

Art. 405 – Sind weniger als achtundzwanzig Zähne vorhanden, so wird vom vollen Blutgeld im entsprechenden Verhältnis ein Abzug vorgenommen, ohne Rücksicht darauf, ob es von Anfang an oder aufgrund eines Unglücksfalls weniger Zähne waren.

Art. 406 – Ein Unterschied zwischen Zähnen verschiedener Farbe wird nicht gemacht. Wird ein Zahn aufgrund einer Verletzung schwarz, fällt aber nicht aus, so beträgt das Blutgeld dafür zwei Drittel des Blutgeldes für den Zahn, wenn er gesund wäre, und die Blutgeldzahlung für einen Zahn, der schon vorher schwarz war, beträgt ein Drittel des Blutgeldes für den gesunden Zahn.

Art. 407 – Für einen Sprung in einem Zahn, ohne daß er gezogen werden muß oder anderweitig entfernt wird, setzt der Richter eine Geldstrafe fest.

Art. 408 – Das Abbrechen des sichtbaren Teils eines Zahns gibt trotz Verbleibens der Wurzel Anspruch auf das volle Blutgeld. Wird nach dem Abbrechen eines solchen Teils der Rest der Wurzel gezogen, setzt der Richter nach seinem Ermessen eine Geldstrafe fest, unabhängig davon, ob derjenige, der den Rest der Wurzel zieht, derselbe ist, der den sichtbaren Teil des Zahns abgebrochen hat, oder eine andere Person.

Art. 409 – Das Ausreißen des Milchzahns eines Kindes gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, wenn kein Zahn nachwächst. Wächst aber an seiner Stelle ein Zahn nach, so beträgt das Blutgeld für einen Milchzahn, der ausgerissen wurde, ein Kamel.

Art. 410 – Ein Zahn, der ausgeschlagen wird, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, auch wenn man ihn wieder einsetzt und er wieder anwächst.

Art. 411 – Wird ein anderer Zahn an die Stelle des ausgeschlagenen Zahns gesetzt und sieht er aus wie der ursprüngliche Zahn, gibt das Ausschlagen des echten Zahns dennoch Anspruch auf das Blutgeld.

Achter Abschnitt:

Das Blutgeld für den Hals

Art. 412 – Die Verletzung des Halses mit der Folge, daß dieser schief wird, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld.

Art. 413 – Für eine Körperverletzung, die ein Schiefwerden des Halses zur Folge hat, sowie für eine Körperverletzung, die das Schlucken der Nahrung erschwert, setzt der Richter nach seinem Ermessen eine Geldstrafe fest.

Art. 414 – Verursacht die Verletzung ein Schiefwerden des Halses oder Schluckbeschwerden, klingen diese Folgen aber wieder ab, geben sie keinen Anspruch auf das Blutgeld, jedoch muß eine Geldstrafe gezahlt werden; dasselbe gilt für den Fall, daß der Verletzte nach dem Verschwinden der Folgen nur mit Mühe den Hals gerade halten oder schlucken kann.

Neunter Abschnitt:

Das Blutgeld für den Kiefer

Art. 415 – Die Zerstörung beider Kiefer gibt Anspruch auf das volle Blutgeld; das Blutgeld für jeden einzelnen Kiefer beträgt 500 Dinar. Die Zerstörung eines Teils eines Kiefers gibt Anspruch auf Blutgeld im Verhältnis zu diesem Teil. Das Blutgeld für die Zerstörung eines Kiefers und eines Teils des anderen Kiefers gibt einen Anspruch auf das halbe Blutgeld sowie das Blutgeld für den Teil des anderen Kiefers.

Art. 416 – Das Blutgeld für den Kiefer ist unabhängig von dem Blutgeld für die Zähne, und wenn der Kiefer samt den Zähnen zerstört wird, wird das Blutgeld für jeden von ihnen gesondert berechnet.

Art. 417 – Für Verletzungen, die zu einer Schädigung des Kiefers führen oder zu Schwierigkeiten beim Kauen oder sogar zu dessen Unmöglichkeit, bestimmt der Richter eine Geldstrafe nach seinem Ermessen.

Zehnter Abschnitt:

Das Blutgeld für Hände und Füße

Art. 418 – Das Abschneiden beider Hände bis zum Handgelenk gibt Anspruch auf das volle Blutgeld. Das Blutgeld für jede Hand ist die Hälfte des vollen Blutgeldes, unabhängig davon, ob der Verletzte nur eine Hand hat und ihm die andere von Geburt an oder infolge eines Unfall fehlt, oder ob er beide Hände hat.

Art. 419 – Das Blutgeld für das Abschneiden der Finger jeder Hand – nur diese oder bis zur Handwurzel – beträgt 500 Dinar.

Art. 420 – Für das Abschneiden einer Handfläche, an der von Geburt an oder infolge eines Unfalls die Finger fehlen, bestimmt der Richter eine Geldstrafe nach seinem Ermessen.

Art. 421 – Das Blutgeld für das Abschneiden eines Armes bis zum Ellenbogen beträgt 500 Dinar, gleichgültig, ob eine Hand vorhanden war oder nicht, ebenso beträgt das Blutgeld für das Abschneiden eines Armes bis zur Schulter 500 Dinar, unabhängig davon, ob ein Unterarm vorhanden war oder nicht.

Art. 422 – Das Blutgeld für eine Hand mit Fingern beträgt, wenn sie oberhalb vom Handgelenk oder der Handwurzel abgeschnitten wird, oder oberhalb des Ellenbogens, 500 Dinar zuzüglich einer Geldstrafe, die unter Berücksichtigung des zusätzlichen Ausmaßes bestimmt wird.

Art. 423 – Hatte jemand vom Handgelenk, vom Ellenbogen oder von der Schulter an zwei Arme, so ist das Blutgeld für den eigentlichen Arm 500 Dinar; in bezug auf den zusätzlichen Arm kann der Richter den Streit auf jede Art beenden, die er für angemessen hält. Welcher Arm der Eigentliche oder der Zusätzliche ist, wird von einem Sachverständigen beurteilt.

Art. 424 – Das Blutgeld für alle zehn Finger beider Hände sowie für die zehn Zehen beider Füße ist das volle Blutgeld; das Blutgeld für einen Finger oder Zeh beträgt ein Zehntel des vollen Blutgeldes.

Art. 425 – Das Blutgeld für einen einzelnen Finger wird durch die Zahl der Gelenke des Fingers geteilt. Das Abschneiden eines Fingergelenks außer am Daumen gibt Anspruch auf ein Drittel des Blutgeldes für einen gesunden Finger, und beim Daumen auf die Hälfte des Blutgeldes für einen gesunden Daumen.

Art. 426 – Das Blutgeld für einen überzähligen Finger beträgt ein Drittel des Blutgeldes für einen normalen Finger, und das Blutgeld für überzählige Gelenke ein Drittel des Blutgeldes für ein normales Gelenk.

Art. 427 – Das Blutgeld für die Lähmung eines Fingers beträgt zwei Drittel des Blutgeldes für einen gesunden Finger, und das Blutgeld für das Abschneiden eines gelähmten Fingers beträgt ein Drittel des Blutgeldes für einen gesunden Finger.

Art. 428 – Die Vorschriften dieses Abschnitts sind auch auf die Füße anzuwenden.

Elfter Abschnitt:

Das Blutgeld für Fingernägel

Art. 429 – Das Blutgeld für das Ausreißen eines Fingernagels mit der
Folge, daß er nicht nachwächst oder verdorben oder schwarz wird, beträgt 10
Dinar, und wenn er gesund und weiß nachwächst, 5 Dinar.

Zwölfter Abschnitt:

Das Blutgeld für die Wirbelsäule

Art. 430 – Das Brechen der Wirbelsäule gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, unabhängig davon, ob überhaupt keine Heilung erfolgt, oder ob die Wirbelsäule nach der Heilbehandlung gekrümmt bleibt, der Betroffene nicht ohne Stock gehen kann, impotent oder blasenleidend wird. Ebenso gibt eine Verletzung, die eine Krümmung des Rückens verursacht oder die Fähigkeit zum Sitzen oder Gehen nimmt, Anspruch auf das volle Blutgeld.

Art. 431 – Hatte nach dem Brechen oder einer anderweitigen Verletzung der Wirbelsäule die Heilbehandlung Wirkung und bleiben keine Folgen der Verletzung zurück, muß der Täter 100 Dinar zahlen.

Art. 432 – Für das Brechen der Wirbelsäule, das die Lähmung beider Beine zur Folge hat, ist das volle Blutgeld zu zahlen; für die Lähmung der Beine sind zwei Drittel des vollen Blutgeldes vorgesehen.

Dreizehnter Abschnitt:

Das Blutgeld für Rückenmark

Art. 433 – Das Durchtrennen des gesamten Rückenmarks gibt Anspruch auf das volle Blutgeld; das Blutgeld für das teilweise Durchtrennen des Rückenmarks richtet sich nach dem Verhältnis des Ausmaßes zum Ganzen.

Art. 434 – Verursacht das Durchtrennen des Rückenmarks den Ausfall eines anderen Gliedes und ist für dieses Glied ein Blutgeld festgelegt, kommt dieses noch zu dem vollen Blutgeld für das Durchtrennen des Rückenmarks dazu. Ist für dieses Glied kein Blutgeld festgelegt, kommt zu dem vollen Blutgeld für das Durchtrennen des Rückenmarks eine Geldstrafe.

Vierzehnter Abschnitt:

Das Blutgeld für Hoden

Art. 435 – Das gleichzeitige Abschneiden beider Hoden gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, das Abschneiden des linken Hodens auf zwei Drittel und des rechten Hodens auf ein Drittel des Blutgeldes.
Erläuterung: In der genannten Vorschrift wird nicht zwischen Jung und Alt, Kindern und Erwachsenen, Impotenten und Gesunden u.ä. unterschieden.

Art. 436 – Das Blutgeld für die Entzündung der Hoden beträgt 400 Dinar, und wenn die Entzündung den Verlust der Fähigkeit zum Gehen verursacht, beträgt das Blutgeld 800 Dinar.

Fünfzehnter Abschnitt:

Das Blutgeld für Rippen

Art. 437 – Das Blutgeld für jede Rippe, die auf der linken Seite liegt und das Herz umgibt, beträgt 25 Dinar, und das Blutgeld für die übrigen Rippen 10 Dinar.
Sechzehnter Abschnitt: Das Blutgeld für Schlüsselbeine

Art. 438 – Das Brechen der beiden Schlüsselbeinknochen gibt Anspruch auf das volle Blutgeld. Das Brechen eines Schlüsselbeins, wenn keine Heilung möglich ist oder ein Schaden zurückbleibt, gibt Anspruch auf die Hälfte des vollen Blutgeldes, und wenn eine Heilung erfolgt, auf 40 Dinar.

Siebzehnter Abschnitt:

Das Blutgeld für das Gesäß

Art. 439 – Die Verletzung des Gesäßes in der Weise, daß der Verletzte seine Ausscheidungen nicht mehr kontrollieren kann, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld. Kann er seine Ausscheidungen kontrollieren, aber seine Blähungen nicht beherrschen, setzt der Richter eine Geldstrafe nach seinem Ermessen fest.

Art. 440 – Ein Schlag auf den Damm zwischen den Hoden und dem Gesäß, der die Unfähigkeit zur Kontrolle der Ausscheidungen zur Folge hat, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld; das gleiche gilt, wenn infolge eines Schlages auf eine andere Stelle das Opfer seine Ausscheidungen nicht mehr kontrollieren kann.

Art. 441 – Das Entfernen des Jungfernhäutchens eines Mädchens mit dem Finger, das zur Folge hat, daß sie ihre Harnentleerung nicht kontrollieren kann, gibt außer dem Anspruch auf das Blutgeld für eine Frau auch noch Anspruch auf die angemessene Brautgabe.

Achtzehnter Abschnitt:

Das Blutgeld für Knochen

Art. 442 – Das Blutgeld für das Brechen des Knochens eines Gliedes, für das ein Blutgeld festgesetzt ist, beträgt ein Fünftel dieses Blutgeldes. Wird der Knochen geheilt und bleiben keine Folgen zurück, beträgt das Blutgeld vier Fünftel des Blutgeldes für das Brechen. Das Blutgeld für Schläge beträgt ein Drittel des Blutgeldes für das Glied, und im Falle der Heilung ohne bleibende Schäden beträgt das Blutgeld vier Fünftel des Blutgeldes für den Schlag auf das Glied.

Art. 443 – Wird der Knochen von dem Glied abgetrennt, so daß das Glied nicht mehr gebrauchsfähig ist, sind für das Glied zwei Drittel des Blutgeldes zu zahlen. Im Falle einer Heilung ohne Schäden beträgt das Blutgeld vier Fünftel des ursprünglichen Blutgeldes für das Abtrennen.

Neunzehnter Abschnitt:

Das Blutgeld für die geistigen Fähigkeiten

Art. 444 – Jede Verletzung, die die geistigen Fähigkeiten zerstört, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld. Werden sie nur beeinträchtigt, ist eine Geldstrafe zu zahlen.

Art. 445 – Die Zerstörung oder Minderung der geistigen Fähigkeiten zieht keine Vergeltung nach sich.

Art. 446 – Wurden durch Verletzungen, wie z.B. durch einen Schlag auf das Gehirn, die Verursachung eines Schädelbruchs oder das Abschneiden eines Arms34[Anmerkung der Übersetzerin: sie.] die geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt, ist das Blutgeld für jeden Fall gesondert zu leisten, und eine Verrechnung ist nicht zulässig.

Art. 447 – Wurden aufgrund einer Verletzung geistige Fähigkeiten beeinträchtigt und ist das volle Blutgeld vom Täter gezahlt worden, stellen sich aber später die geistigen Fähigkeiten wieder her, wird das Blutgeld zurückerstattet und vom Richter nach seinem Ermessen eine Geldstrafe bestimmt.

Art. 448 – Für die Beurteilung der Zerstörung oder Beeinträchtigung geistiger Fähigkeiten sind zwei unbescholtene Sachverständige zuständig. Wird infolge abweichender Meinungen der Sachverständigen eine Zerstörung oder Minderung der geistigen Fähigkeiten nicht festgestellt, hat das Wort des Täters, auf das er einen Eid genommen hat, überwiegendes Gewicht.

Zwanzigster Abschnitt:

Das Blutgeld für das Gehör

Art. 449 – Die Zerstörung der Gehörs auf beiden Ohren gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, und die Zerstörung des Gehörs auf einem Ohr auf das halbe Blutgeld, auch wenn das Hörvermögen auf einem der beiden Ohren stärker war als auf dem anderen.

Art. 450 – Hatte jemand auf einem Ohr das Gehör schon verloren, gibt die Ertaubung des anderen Ohrs Anspruch auf das halbe Blutgeld.

Art. 451 – Steht fest, daß das Hörvermögen nicht wieder zurückkehrt, oder bestätigen zwei unbescholtene Sachverständige, daß es nicht zurückkehren wird, wird das Blutgeld festgesetzt. Haben die Sachverständigen die Hoffnung, daß das Hörvermögen nach einer bestimmten Zeit zurückkehrt, ist dies aber am Ende einer Wartezeit noch nicht der Fall, wird das Blutgeld ebenfalls festgesetzt. Kehrt das Gehör vor Empfang des Blutgeldes zurück, wird eine Geldstrafe bestimmt. Kehrt es nach Empfang des Blutgeldes zurück, wird dieses nicht zurückerstattet. Stirbt das Opfer vor Empfang des Blutgeldes, wird die Blutgeldzahlung festgesetzt.

Art. 452 – Geht durch das Abschneiden beider Ohren das Gehör verloren, sind zwei volle Blutgelder zu leisten, und wird durch das Abschneiden eines Ohres das Gehör ganz zerstört, sind eineinhalb Blutgelder zu zahlen. Wird durch eine andere Verletzung das Gehör zerstört, ist das Blutgeld für die andere Verletzung zu zahlen und außerdem Blutgeld für das Gehör.
Erläuterung: Sagen zwei unbescholtene Sachverständige aus, daß das Gehör nicht verloren gegangen, sondern im Gehörgang ein Defekt aufgetreten ist, der das Hören unmöglich macht, wird Blutgeld für das Gehör festgesetzt.

Art. 453 – Wird ein Kind, das noch nicht gesprochen hat, infolge des Ertaubens stumm, wird der Täter außer zu Blutgeld für das Gehör zu einer Geldstrafe wegen des Verlustes des Sprachvermögens verurteilt.

Art. 454 – Gehen infolge einer Verletzung Gehör und Sprachvermögen verloren, sind zwei Blutgelder zu leisten.

Art. 455 – Verursacht jemand bei einem anderen das Zerreißen des Trommelfells, wird er zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt.

Art. 456 – Bestehen zwischen Täter und Opfer abweichende Meinungen und können diese durch zuverlässige Sachverständige und Untersuchungen nicht geklärt werden, ist ein Verdachtsfall gegeben und das Opfer erhält das Blutgeld, wenn es die qasäma leistet.

Einundzwanzigster Abschnitt:

Das Blutgeld für die Sehkraft

Art. 457 – Die Zerstörung der Sehkraft beider Augen gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, die Zerstörung der Sehkraft eines Auges auf die Hälfte des vollen Blutgeldes.

Erläuterung: In der genannten Vorschrift wird nicht zwischen einem scharfsichtigen, schielenden oder nachtblinden Auge unterschieden.

Art. 458 – Geht die Sehkraft durch die Zerstörung der Pupille verloren, beträgt das Blutgeld nicht mehr als das Blutgeld für die Zerstörung der Pupille, und geht infolge einer anderen Verletzung wie z.B. das Einschlagen des Schädels die Sehkraft verloren, ist sowohl das Blutgeld oder eine Geldstrafe für diese Verletzung, als auch das Blutgeld für die Sehkraft zu leisten.

Art. 459 – Im Falle abweichender Meinungen von Täter und Opfer wird das Blutgeld festgesetzt, wenn zwei unbescholtene männliche Sachverständige oder ein unbescholtener männlicher und zwei unbescholtene weibliche Sachverständige bestätigen, daß die Sehkraft verloren sei und nicht zurückkehre oder daß sie zwar zurückkehre, aber keinen Zeitpunkt dafür nennen. Ebenso wird das Blutgeld festgesetzt, wenn sie für die Rückkehr eine erfahrungsgemäß erforderliche Zeit angeben und diese Zeit abläuft, die Sehkraft aber nicht zurückkehrt.

Stirbt das Opfer vor Ablauf der bestimmten Zeit, so wird das Blutgeld festgesetzt. Ebenso wird, wenn ein anderer die Pupille zerstört, das Blutgeld wegen des Verlustes der Sehkraft gegen den ersten Täter festgesetzt.

Kehrt die Sehkraft zurück und zerstört ein anderer das Auge, muß der erste Täter nur eine Geldstrafe zahlen.

Art. 460 – Behauptet das Opfer, daß die Sehkraft auf einem oder auf beiden Augen schwächer geworden sei, wird dies durch eine Untersuchung und den Vergleich mit Altersgenossen oder mit dem anderen Auge geprüft. Für den Unterschied ist Blutgeld zu zahlen. Ist das durch die Untersuchung nicht festzustellen, wird die qasäma angewendet.

Art. 461 – Behauptet das Opfer, daß seine Sehkraft zerstört sei, kann dafür aber keine Bestätigung durch Sachverständige beibringen, läßt ihn der Richter mit der qasäma schwören und erläßt das Urteil zu seinen Gunsten.

Erläuterung: Die qasäma beträgt für jemanden, der auf beiden Augen blind ist, sechs Eide, für jemanden, der auf einem blind ist, drei Eide und bei Minderung der Sehkraft dieser Minderung entsprechend, unabhängig davon, ob der Ankläger die Eide allein oder zusammen mit anderen leistet.

Zweiundzwanzigster Abschnitt:

Das Blutgeld für den Geruchsinn

Art. 462 – Die Zerstörung der Geruchsinns beider Nasengänge gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, die Zerstörung des Geruchsinns eines Nasengangs auf das halbe Blutgeld. Der Richter muß im letzteren Fall vor Verkündung des Urteils den Parteien einen Versöhnungsvorschlag machen.

Art. 463 – Im Falle abweichender Meinungen von Täter und Opfer wird, wenn der Verlust oder die Schwächung des Geruchsinns weder durch eine Untersuchung noch durch zwei rechtschaffene Sachverständige festgestellt werden kann, nach Leistung der qasäma (gemäß Erläuterung zu Art. 461) zugunsten des Anklägers entschieden.

Art. 464 – Kehrt der Geruchsinn vor der Zahlung des Blutgeldes zurück, so wird eine Geldstrafe bestimmt. Kehrt der Geruchsinn später zurück, muß ein Ausgleich vorgenommen werden. Stirbt das Opfer vor Ablauf der für das Zurückkehren des Geruchsinns festgesetzten Wartezeit, wird das Blutgeld festgesetzt.

Art. 465 – Geht durch das Abschneiden der Nase der Geruchsinn verloren, sind zwei Blutgelder zu leisten, ebenso wenn der Geruchsinn durch eine andere Verletzung verloren geht. In diesem Fall wird das Blutgeld für diese Verletzung zu dem Blutgeld für den Geruchsinn hinzugerechnet. Ist für diese Verletzung kein Blutgeld festgelegt, wird eine Geldstrafe, die der Richter nach seinem Ermessen bestimmt, zu dem Blutgeld für den Geruchsinn hinzugerechnet.

Dreiundzwanzigster Abschnitt:

Das Blutgeld für den Geschmacksinn

Art. 466 – Die Zerstörung des Geschmacksinns zieht eine Geldstrafe nach sich.

Art. 467 – Geht durch das Abschneiden der Zunge der Geruchsinn verloren, so gibt es nur das Blutgeld für die Zunge; geht der Geschmacksinn durch eine andere Verletzung verloren, wird das Blutgeld oder die Geldstrafe für diese Verletzung zu der Geldstrafe für den Geschmacksinn hinzugerechnet.

Art. 468 – Falls der Geschmacksinn zurückkehrt, muß die Geldstrafe zurückerstattet werden.

Art. 469 – Wird durch die Heranziehung zweier unbescholtener Sachverständiger das Ausmaß der Verletzungen geklärt, wird entsprechend verfahren; ist das nicht der Fall, so wird bei Vorliegen eines Verdachtsfalles mittels der qasäma des Anklägers je nach Sachlage das Urteil zu seinen Gunsten erlassen.

Vierundzwanzigster Abschnitt:

Das Blutgeld für Stimme und Sprechfähigkeit

Art. 470 – Die vollständige Zerstörung der Stimme eines anderen in einem Maße, daß er nicht mehr klar artikulieren kann, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld, auch wenn er noch abgehackt und langsam Laute hervorbringen kann.

Art. 471 – Die vollständige Zerstörung der Sprechfähigkeit eines anderen in einem Maße, daß er überhaupt nicht mehr sprechen kann, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld.

Art. 472 – Für eine Körperverletzung, die einen Sprachfehler zur Folge hat, bestimmt der Richter eine Geldstrafe nach seinem Ermessen.

Art. 473 – Die Geldstrafe für eine Körperverletzung, die zum Verlust der Artikulation einiger Laute führt, muß im Wege der Vereinbarung festgesetzt werden.

Fünfundzwanzigster Abschnitt:

Das Blutgeld für Harninkontinenz

Art. 474 – Für eine Verletzung, die eine Harninkontinenz zur Folge hat, wird eine Geldstrafe folgendermaßen festgelegt:

a) dauert sie täglich und bis zum Ende eines jeden Tages an, ist das volle Blutgeld fällig;

b) dauert sie täglich bis zur Mitte jeden Tages an, sind zwei Drittel des Blutgeldes fällig;

c) dauert sie jeden Tag bis zum Anbruch eines Tages an, ist ein Drittel des Blutgeldes fällig.

Erläuterung: Dauert die Harninkontinenz einige Tage an und hört dann wieder auf, bestimmt der Richter die Geldstrafe nach seinem Ermessen.

Art. 475 – Folgende strafbare Handlungen ziehen eine Geldstrafe nach sich:

a) die Verursachung der Unmöglichkeit des Samenergusses;

b) der Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit oder der Gebärfähigkeit;

c) der Verlust des sexuellen Lustgefühls beim Geschlechtsverkehr.

Art. 476 – Eine Verletzung, die die Möglichkeit zum Geschlechtsverkehr vollständig zerstört, gibt Anspruch auf das volle Blutgeld.

Art. 477 – Für jede Verletzung, die den Verlust oder die Beeinträchtigung vitaler Funktionen wie Schlaf oder Tastsinn zur Folge hat oder die das Auftreten von Krankheiten verursacht und für die kein Blutgeld festgelegt ist, bestimmt der Richter eine Geldstrafe nach seinem Ermessen.

Art. 478 – Wird der Penis eines Mannes von der Eichel an oder mehr abgeschnitten, entsteht ein Anspruch auf das volle Blutgeld. Weniger als die Eichel wird im Verhältnis der Fläche zur Eichel berechnet und ein ensprechender Anteil des Blutgeldes bezahlt.

Art. 479 – Wird die Vulva einer Frau vollständig abgeschnitten, entsteht ein Anspruch auf das volle Blutgeld, wird nur die eine Seite abgeschnitten, auf das halbe Blutgeld.

Das Blutgeld für Verletzungen

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Viertes Buch:

Blutgeld

Zehntes Kapitel:

Das Blutgeld für Verletzungen

Erster Abschnitt:

Das Blutgeld für Verletzungen von Kopf und Gesicht

Art. 480 – Das Blutgeld für Verletzungen von Kopf und Gesicht ist wie folgt geregelt:

1. für eine Hautabschürfung, ohne daß Blut fließt: ein Kamel;

2. für eine Schürfung, die durch die Haut geht und das Fleisch geringfügig verletzt, wobei gleichzeitig wenig oder auch viel Blut fließt: zwei Kamele;

3. für eine Verletzung, die tiefer ins Fleisch geht, aber nicht die Knochenhaut erreicht: drei Kamele;

4. für eine Verletzung, die durch das Fleisch dringt und bis zur Knochenhaut reicht: vier Kamele;

5. für eine Verletzung, die durch das ganze Fleisch und die Knochenhaut geht und den Knochen bloßlegt: fünf Kamele;

6. für eine Handlung, durch die der Knochen zerbricht, auch wenn sie keine Wunde verursacht: zehn Kamele;

7. für eine Verletzung, deren Heilung nur durch das Einrenken eines Knochens möglich ist: fünfzehn Kamele;

8. eine Verletzung, die bis in die Gehirnschale dringt, gibt Anspruch auf ein Drittel des vollen Blutgeldes oder auf 33 Kamele;

9. bei einer Verletzung, durch die die Gehirnschale zertrümmert wird, wird zu dem Drittel des vollen Blutgeldes eine Geldstrafe hinzugerechnet.

Erläuterung: Das Blutgeld für eine Verletzung von Ohren, Nase und Lippen steht dem Blutgeld für Verletzungen an Kopf und Gesicht gleich.

Das Blutgeld für einen Schwangerschaftsabbruch

Gesetz über die islamischen Strafen vom 8. Mordad 1370 / 30. Juli 1991

Viertes Buch:

Blutgeld

Zwölftes Kapitel:

Das Blutgeld für einen Schwangerschaftsabbruch

Art. 487 – Das Blutgeld für einen Schwangerschaftsabbruch wird wie folgt festgesetzt:

1. hat sich das Sperma in der Gebärmutter eingenistet, beträgt das Blutgeld 20 Dinar;

2. hat der Embryo einen Blutklumpen gebildet, beträgt das Blutgeld 40 Dinar;

3. hat der Embryo Fleisch gebildet, beträgt das Blutgeld 60 Dinar;

4. das Blutgeld für den Fötus in einem Stadium, in dem er Knochen gebildet hat, aber das Fleisch noch nicht damit zusammen gewachsen ist, beträgt 80 Dinar;

5. das Blutgeld für einen Fötus, bei dem sich Fleisch und Knochen vollständig verbunden haben, aber der Geist noch fehlt, beträgt 100 Dinar;

Erläuterung: In den obigen Fällen wird nicht zwischen Mädchen und Jungen unterschieden;

6. das Blutgeld für einen beseelten Fötus ist das volle Blutgeld, wenn es
ein Junge ist, und ein halbes Blutgeld, wenn es ein Mädchen ist, und drei
Viertel des Blutgeldes, wenn es ein Zwitter ist.

Angriff und Beleidigung von politischen Organen

II. Gesetz über die islamischen Strafen (ta’zirat) vom 18. Mordad 1362 / 9. August 1983

Vierter Teil:

Angriff und Beleidigung von politischen Organen
Art. 14 – Wer in der Absicht des Verderbenstiftens und der Opposition gegenüber der Regierung auf das Leben des Islamischen Führers oder des Staatspräsidenten einen Anschlag verübt, aber aufgrund von Umständen, die außerhalb seines Willens liegen, keinen Erfolg hat, gilt als Kämpfer gegen Gott.

Straftaten gegen das Schamgefühl, die allgemeine Sittlichkeit und die Familienpflichten

II. Gesetz über die islamischen Strafen (ta’zirat) vom 18. Mordad 1362/ 9. August 1983

Vierter Teil:

Straftaten gegen das Schamgefühl, die allgemeine Sittlichkeit und die Familienpflichten

Art. 101 – Verhalten sich ein Mann und eine Frau, die nicht miteinander verheiratet sind – abgesehen von unerlaubtem Geschlechtsverkehr – unzüchtig, wie z.B. durch Küsse oder Umarmungen, so werden sie zu neunundneunzig Peitschenhieben verurteilt. Wird die Tat mit Gewalt begangen, so wird nur der Zwangausübende zu einer ta’zir-Strafe verurteilt.

Art. 102 – Wer vor den Augen der Öffentlichkeit an allgemein zugänglichen Orten eine verbotene Handlung begeht, wird außer mit der Strafe für diese Handlung zu höchstens vierundsiebzig Peitschenhieben verurteilt. Begeht er eine Tat, die an sich nicht strafbar ist, aber gegen das allgemeine Schamgefühl verstößt, wird er nur zu höchstens vierundsiebzig Peitschenhieben verurteilt.
Erläuterung: Frauen, die sich ohne die religionsgesetzlich vorgeschriebene Kleidung auf öffentlichen Straßen und Plätzen zeigen, werden zu einer ta’zir-Strafe von höchstens vierundsiebzig Peitschenhieben verurteilt.

Art. 103 Folgende Personen werden zur Gefängnisstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren und bis zu vierundsiebzig Peitschenhieben verurteilt:

1. wer ein Bordell gründet oder leitet, das die Bevölkerung zu Verderbtheit und unzüchtigem Verhalten verleitet;

2. wer die Bevölkerung zu Verderbtheit und unzüchtigem Verhalten anstiftet oder Anlaß dazu bietet.

Erläuterung: Führte die obengenannte Tat zu einer Verderbtheit der allgemeinen Sitten und wird sie im Wissen um diese Ursächlichkeit begangen, werden die Strafen für einen Verderbenstifter auf Erden angewendet.

Art. 104 – Die folgenden Personen werden zu Gefängnisstrafe von einem Monat bis zu einem Jahr verurteilt:

1. wer Schriftstücke, Zeichnungen, Illustrationen, Malereien, Fotografien, Druckerzeugnisse, Ankündigungen, Zeichen, Filme, Filmstreifen oder irgendeinen anderen Gegenstand, der das öffentliche Schamgefühl und die guten Sitten verletzt, herstellt oder verwahrt, um sie in den Handel zu bringen, zu verteilen oder den Blicken der Öffentlichkeit darzubieten;

2. wer die genannten Gegenstände persönlich oder durch einen anderen einführt oder ausführt oder in irgendeiner Weise als Unternehmer oder Mittelsmann beim Handel oder einer anderen Art von Geschäft tätig ist oder aus ihrer Vermietung Einnahmen erlangt;

3. wer die obengenannten Gegenstände auf irgendeine Weise verbreitet oder den Blicken der Öffentlichkeit darbietet;

4. wer, um Geschäfte mit den obengenannten Gegenständen zu fördern oder sie zu verbreiten, in irgendeiner Weise Ankündigungen oder Bekanntmachungen herausbringt, damit irgendein anderer die obengenannten verbotenen Taten begeht, sowie derjenige, der Ankündigungen oder Bekanntmachungen herausbringt, wie oder durch wen man einen der obengenannten Gegenstände direkt oder indirekt erhalten kann.

Erläuterung: Dieser Artikel betrifft keine Gegenstände, die einem wissenschaftlichen Zweck dienen, für wissenschaftliche Zwecke oder ein anderes erlaubtes, vernünftiges Interesse beschafft, verkauft und gekauft oder gezeigt werden.

Art. 105 – Wer, obwohl er finanziell dazu in der Lage ist, seiner Frau den Unterhalt trotz ihres Gehorsams nicht gewährt oder es unterläßt, anderen Personen, denen er unterhaltspflichtig ist, diesen zu zahlen, kann vom Gericht zu höchstens vierundsiebzig Peitschenhieben verurteilt werden.

Öffentlicher Konsum von alkoholischen Getränken und Glücksspiel

II. Gesetz über die islamischen Strafen (ta’zirat) vom 18. Mordad 1362/ 9. August 1983

Vierter Teil:

Öffentlicher Konsum von alkoholischen Getränken und Glücksspiel

Art. 145 – Wer alkoholische Getränke herstellt, einführt, im Inland bereithält, kauft, verkauft, zum Verkauf anbietet oder transportiert, wird zu höchstens vierundsiebzig Peitschenhieben verurteilt.

Quellenangabe

Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung 106:

Strafgesetze der Islamischen Republik Iran

übersetzt von Dr. Silvia Tellenbach, erschienen 1996, (vergriffen)

Walter de Gruyter & Co.

ISBN 3-11-014884-6

Veröffentlicht am 7. April 2011 in Gesetze, Medien und mit , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Ein Kommentar.